Warum es für mich „Talent“ nicht gibt.

„Ich hätte auch gerne dein Talent.“ Sowas hört man ständig, wenn man einigermaßen gut Zeichnen kann.

Für mich ist „Talent“ ein Wort mit bitterem Beigeschmack. Es suggeriert nämlich, dass ich als Kreative, eine angeborene Gabe habe, die mir einfach so in den Schoß fällt. Es waren keine Anstrengungen, Übung oder Scheitern notwendig, um das zu erreichen, was ich heute kann. Gleichzeitig gibt es anderen das Gefühl, dass sie niemals das erlernen könnten, was ich anscheinend mühelos beherrsche.

Ich möchte in diesem Text mit dem dem Wörtchen „Talent“ aufräumen, Mut machen und Ideen geben, wie du Menschen, deren Arbeit du bewunderst, bessere Komplimente machen kannst.

Moment, was sagt die Wissenschaft dazu?

Der Begriff „Talent“ bedeutet, dass jemand ungewöhnliche oder überdurchschnittliche Leistungen abliefern kann. Klingt nach dem Pianisten Lang Lang, der mit 5 Jahren die ersten internationalen Preise abräumte (ich habe dir hier ein Video verlinkt). Und weniger nach mir, die mit Mitte 20 einigermaßen gut Pflanzen zeichnet ^^

Die Wissenschaft ist sich (nach meinen stümperhaften Rechercheversuchen) nicht einig, ob es Talent gibt oder nicht. Denn Talent ist weder mess- noch beobachtbar. Nur das Ergebnis oder der Erfolg ist sichtbar – zum Beispiel ein perfekt ausgeführtes Musikstück. Genetiker gehen davon aus, dass Talent von Geburt an in uns steckt. Verhaltensforscher sind der Meinung Talent kann erlernt werden.

Was bezeichnen wir (fälschlicherweise?) als Talent?

Besonders bei künstlerischen Fähigkeiten ist es so, dass viele Menschen ihr Interesse fürs Basteln, Handwerken, Nähen, Malen oder Musik machen, schon als Kinder entdecken. Sie sind so fasziniert von etwas, dass sie es unbedingt selbst beherrschen wollen und einfach loslegen. Sie denken nicht darüber nach, ob sie das passende Equipment haben. Ein Kuli oder Straßenkreide tun es auch.

Kinder gehen mit naiven Augen durch die Welt. Für sie ist ein Baum ein Kreis mit einem Strich darunter. Die Sonne wird in die Ecke gemalt. Wolken sind selbstverständlich blau, der Himmel weiß und nicht andersherum.

Das großartige als Kind ist, dass man noch nicht so viel gesehen hat und einem auch niemand sagt, dass Bäume eigentlich anders funktionieren. So lernt man eine Fähigkeit, ohne zu zweifeln, ohne Angst etwas falsch zu machen und ohne sich zu vergleichen.

Da wir uns als Kinder so sorg- und kopflos in Neues stürzen, lernen wir viel schneller und effizienter als Erwachsene. Wir werden zügig besser und mit 14, 15 Jahren staunen die Leute und sagen: „Die Sara hat Talent“. Dabei haben sie nicht mitbekommen, dass ich seit 10 Jahren beinahe jeden Tag gemalt, gezeichnet und skizziert habe.

Mein persönlicher Kontakt mit Talent.

Ich habe lange Zeit auf den Traum hingearbeitet, irgendwann einen kreativen Beruf ausführen zu können. Ich glaubte, ich könne das nur schaffen, weil ich dieses angeborene künstlerische Talent habe. Schließlich hat in meinem privaten Umfeld nie jemand meinen Fleiß, meine Geduld, den Aufwand oder kreative Entscheidungen gelobt, sondern immer nur mein Talent.

Als ich in ein professionelles Umfeld kam, war ich plötzlich von ganz vielen augenscheinlich talentierten Menschen umgeben. Sie waren zum Teil besser als ich und einige, die weniger Erfahrung hatten, holten mich durch Praxis und die Tipps unserer Mentoren innerhalb von Monaten ein. An diesem Punkt verstand ich, dass ich kein Talent habe, sondern üben muss, um nicht den Anschluss zu verlieren.

Veranlagungen.

Du bist ein Puzzle aus verschiedenen Eigenschaften, die dafür sorgen, dass dir manches besser liegt als anderen.

Ein Beispiel: Du hast ein gutes Fingerspitzengefühl, Beobachtungsgabe und Konzentrationsfähigkeit. Abstraktes und bildhaftes Denken fällt dir leichter als anderen. Vielleicht bist du eher introvertiert, weshalb du dazu neigst dich selbstständig in komplexe Dinge hineinzudenken. Du bist emphatisch, weshalb du die Stimmung einer Person oder einer Umgebung schnell und genau deuten kannst.

Klingt nach dem perfekten Cocktail für eine:n ausgezeichnete:n Künstler:in, oder? Ich sehe da aber auch die Eigenschaften, die einen guten Arzt oder Ärztin ausmachen würden … Es sind also viele Wege offen.

Warum jemand ein:e Kreative:r wird.

In welche Richtung ein Kind Interessen entwickelt hängt von vielen Faktoren ab.

Von den eben erwähnten Veranlagungen. Ein eher introvertiertes Kind tendiert wahrscheinlich zu ruhigen Hobbys wie Kunst, Musik, Lesen, Informatik oder Schreiben. Wogegen ein extrovertiertes Kind eher das Bedürfnis hat sich auszupowern und ständig mit Freunden unterwegs zu sein.

Aber natürlich nimmt auch das Umfeld und Erlebnisse Einfluss. Vielleicht gibt es in der Familie oder in der Nachbarschaft eine:n Künstler:in? Lehrer:innen können ein starker Grund sein, weshalb man etwas total spannend oder sterbenslangweilig findet. Manchmal sind es aber auch kurze Impulse, die das Feuer in Gang bringen. Vielleicht seid ihr im Urlaub an Straßenkünstler:innen vorbeigelaufen oder im Fernsehen lief eine spannende Doku.

Weißt du noch, woher dein Interesse an kreativen Tätigkeiten kam? > Gib mir die Antwort am Ende.

Dran bleiben.

Wichtig ist, dass es jemanden gibt, der die Interessen des Kindes ernst nimmt, es sich ausprobieren lässt oder idealerweise sogar unterstützt und fördert.

Denn leider kommen die meisten Menschen im Laufe ihrer Kindheit oder Jugend in Situationen, die sie davon abbringen ein Interesse weiter zu verfolgen. Die Schule hat mir definitiv den Spaß an Naturwissenschaften genommen, was ich heute bedauere. Stattdessen bin ich jetzt Designerin, auch OK :D Mein Mann ärgert sich immer noch, dass er nicht gezwungen wurde, ein Instrument zu lernen. Und wegen seiner ätzenden Kunstlehrerin hat er aufgehört zu malen.

Wenn man aber immer dranbleibt, ist man irgendwann Mitte Zwanzig und hat (wie ich) über 20 Jahre praktische Erfahrung. Ich habe kein angeborenes Talent. Ich habe nur sehr früh angefangen.

Es ist nie zu spät, du bist nie zu alt.

Manchmal sagen Menschen zu mir, dass sie auch gerne mein Talent hätten. Dabei schauen sie mich traurig an und schieben hinterher: „Ich kann leider gar nicht zeichnen.“ Es macht mich unglücklich, dass andere glauben, ich hätte als Säugling schon so gezeichnet. Am liebsten würde ich ihnen dann eines meiner Kinderbilder unter die Nase halten und sagen: „Fang so an, dann kannst du irgendwann das, was ich über viele Jahre gelernt habe.“ Hier kannst du sieben Beiträge von 2016 finden in denen ich meinen Fortschritt nach vier bis sechs Jahren vergleiche. Auch meine Texte sind besser geworden, hoffe ich doch :D

Du kannst jederzeit anfangen und gut darin werden. Egal, ob du 22, 40 oder 95 Jahre alt bist. Es ist als Erwachsene:r nur deutlich schwieriger – oder besser: anstrengender. Das liegt daran:

Wir wissen zu viel.

Du siehst die Welt mit den analysierenden Augen eines erwachsenen Menschen. Du weißt seit vielen Jahren, dass ein Baum tausende kleine Äste und unzählige Blätter hat. Wie bitte sollst du das darstellen? Du achtest auf zu viele Details und kennst gleichzeitig die Tricks der Profis noch nicht.

Mein Tipp: Versuche nicht alles auf einmal zu wollen. Such dir ein Motiv aus und beschäftige dich damit. Wenn es das Bäumezeichnen ist, wirst du dafür viele verschiedene Ansätze im Internet finden. Du wirst nach und nach herausfinden, dass das alles keine Magie ist. Niemand, der Bescheid weiß, wird jedes Blatt einzeln zeichnen. Viele Profi-Tricks sind nämlich kaum komplexer als die kindliche Art und Weise einen Baum aus Kreis und Linie zu konstruieren.

Wieder ein Apfel, mit ähnlich viel Zeit entstanden, was beweist, dass Talent nicht das Mittel zum Skill ist.

Keine Zeit, dafür Stress.

Du hast nicht mehr so viel Zeit zum Üben wie als Kind. Das bedeutet, du brauchst länger, um sichtbare Fortschritte zu machen.

Mein Tipp: Versuche trotzdem deinem neuen Hobby Raum zu geben. Dich beschäftigen weit mehr Themen als die nächste Matheklausur und dass Tim gemein zu dir war. Ein eher mediatives Hobby wie Malen, kann dir helfen diesen Stress zu reduzieren. Und falls du Kinder hast: lass sie einfach mitmachen.

Kritik und Zweifel.

Du hast schon sehr viel gesehen. Vielleicht folgst du Künstler:innen auf Instagram und dir ist es ein Rätsel, wie du wie sie werden kannst. Schließlich sind sie dir soooo weit voraus.

Ich möchte dir sagen: Du kannst nicht wie sie werden. Denn du bist du und das macht jedes Werk einzigartig und unvergleichbar. Wenn du dich mit jemandem vergleichen möchtest, dann mit dir selbst. Sammle jede deiner Arbeiten in einer Mappe oder einem Karton – auch die, die du richtig schlecht findest. Am Anfang macht man die größten Fortschritte. Schon nach wenigen Bildern wirst du eine Verbesserung feststellen und nach Monaten oder Jahren über deine Anfänge schmunzeln.

Darf ich das?

Von erwachsenen Menschen erwartet man eine gewisse Konstanz und Festigkeit. Wenn du plötzlich mit 30, 40 oder 70 anfängst etwas Neues auszuprobieren, rollt dein Umfeld vielleicht mit den Augen: „Ach jetzt malt er auch noch.“ „In dem Alter will sie noch Künstlerin werden, oder was?“

Ein Hinweis: Lass dich davon nicht verunsichern. Wie so häufig ist Spott nur eine Kurzschlussreaktion. Vermutlich sitzen Erna und Otto danach zu Hause und fragen sich, warum sie nicht den Mut haben, etwas Neues anzufangen.

Bessere Komplimente machen.

Ach und wenn du mal wieder einem Künstler oder einer Künstlerin ein Kompliment machen möchtest, geh doch direkt auf die Details ein. Sage, was dir konkret an einem Bild gefällt. Sind es die Farben? Ist es die Komposition? Das ungewöhnliche Format? Magst du das Motiv? Vielleicht hat die Arbeit ein Gefühl in dir ausgelöst, weil es dich an ein schönes Erlebnis erinnert?

Dein gegenüber freut sich doppelt so sehr, wenn er oder sie merkt, dass du dir Zeit für die Arbeiten und für das Kompliment genommen hast.

Und wenn mal wieder jemand auf dich zukommt und dein angeborenes Talent lobt, bedank dich höflich und frage dann, was genau der Person an deinen Werken gefällt. Sicherlich kommt ihr ins Gespräch. Du wirst lauter schöne Dinge hören und kannst vielleicht sogar ein paar Sätze zum aufwändigen Arbeitsprozess fallenlassen ;)


Was denkst du zu Talenten? Schreibe mir gerne einen Kommentar.
Umfragen und Infos über neue Beiträge, gibt es immer auf Instagram @vonsarago in meinen Storys.

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Schreibe mir die ganze Geschichte gerne in die Kommentare,

 

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Für mich ist „Talent“ ein Wort mit bitterem Beigeschmack. Es suggeriert nämlich, dass ich als Kreative, eine angeborene Gabe habe, die mir einfach so in den Schoß fällt. Es waren keine Anstrengungen, Übung oder Scheitern notwendig, um das zu erreichen, was ich heute kann. Gleichzeitig gibt es anderen das Gefühl, dass sie niemals das erlernen könnten, was ich anscheinend mühelos beherrsche.

Ich möchte in diesem Text mit dem dem Wörtchen „Talent“ aufräumen, Mut machen und Ideen geben, wie du Menschen, deren Arbeit du bewunderst, bessere Komplimente machen kannst.

Moment, was sagt die Wissenschaft dazu?

Der Begriff „Talent“ bedeutet, dass jemand ungewöhnliche oder überdurchschnittliche Leistungen abliefern kann. Klingt nach dem Pianisten Lang Lang, der mit 5 Jahren die ersten internationalen Preise abräumte (ich habe dir hier ein Video verlinkt). Und weniger nach mir, die mit Mitte 20 einigermaßen gut Pflanzen zeichnet ^^

Die Wissenschaft ist sich (nach meinen stümperhaften Rechercheversuchen) nicht einig, ob es Talent gibt oder nicht. Denn Talent ist weder mess- noch beobachtbar. Nur das Ergebnis oder der Erfolg ist sichtbar – zum Beispiel ein perfekt ausgeführtes Musikstück. Genetiker gehen davon aus, dass Talent von Geburt an in uns steckt. Verhaltensforscher sind der Meinung Talent kann erlernt werden.

Was bezeichnen wir (fälschlicherweise?) als Talent?

Besonders bei künstlerischen Fähigkeiten ist es so, dass viele Menschen ihr Interesse fürs Basteln, Handwerken, Nähen, Malen oder Musik machen, schon als Kinder entdecken. Sie sind so fasziniert von etwas, dass sie es unbedingt selbst beherrschen wollen und einfach loslegen. Sie denken nicht darüber nach, ob sie das passende Equipment haben. Ein Kuli oder Straßenkreide tun es auch.

Kinder gehen mit naiven Augen durch die Welt. Für sie ist ein Baum ein Kreis mit einem Strich darunter. Die Sonne wird in die Ecke gemalt. Wolken sind selbstverständlich blau, der Himmel weiß und nicht andersherum.

Das großartige als Kind ist, dass man noch nicht so viel gesehen hat und einem auch niemand sagt, dass Bäume eigentlich anders funktionieren. So lernt man eine Fähigkeit, ohne zu zweifeln, ohne Angst etwas falsch zu machen und ohne sich zu vergleichen.

Da wir uns als Kinder so sorg- und kopflos in Neues stürzen, lernen wir viel schneller und effizienter als Erwachsene. Wir werden zügig besser und mit 14, 15 Jahren staunen die Leute und sagen: „Die Sara hat Talent“. Dabei haben sie nicht mitbekommen, dass ich seit 10 Jahren beinahe jeden Tag gemalt, gezeichnet und skizziert habe.

Mein persönlicher Kontakt mit Talent.

Ich habe lange Zeit auf den Traum hingearbeitet, irgendwann einen kreativen Beruf ausführen zu können. Ich glaubte, ich könne das nur schaffen, weil ich dieses angeborene künstlerische Talent habe. Schließlich hat in meinem privaten Umfeld nie jemand meinen Fleiß, meine Geduld, den Aufwand oder kreative Entscheidungen gelobt, sondern immer nur mein Talent.

Als ich in ein professionelles Umfeld kam, war ich plötzlich von ganz vielen augenscheinlich talentierten Menschen umgeben. Sie waren zum Teil besser als ich und einige, die weniger Erfahrung hatten, holten mich durch Praxis und die Tipps unserer Mentoren innerhalb von Monaten ein. An diesem Punkt verstand ich, dass ich kein Talent habe, sondern üben muss, um nicht den Anschluss zu verlieren.

Veranlagungen.

Du bist ein Puzzle aus verschiedenen Eigenschaften, die dafür sorgen, dass dir manches besser liegt als anderen.

Ein Beispiel: Du hast ein gutes Fingerspitzengefühl, Beobachtungsgabe und Konzentrationsfähigkeit. Abstraktes und bildhaftes Denken fällt dir leichter als anderen. Vielleicht bist du eher introvertiert, weshalb du dazu neigst dich selbstständig in komplexe Dinge hineinzudenken. Du bist emphatisch, weshalb du die Stimmung einer Person oder einer Umgebung schnell und genau deuten kannst.

Klingt nach dem perfekten Cocktail für eine:n ausgezeichnete:n Künstler:in, oder? Ich sehe da aber auch die Eigenschaften, die einen guten Arzt oder Ärztin ausmachen würden … Es sind also viele Wege offen.

Warum jemand ein:e Kreative:r wird.

In welche Richtung ein Kind Interessen entwickelt hängt von vielen Faktoren ab.

Von den eben erwähnten Veranlagungen. Ein eher introvertiertes Kind tendiert wahrscheinlich zu ruhigen Hobbys wie Kunst, Musik, Lesen, Informatik oder Schreiben. Wogegen ein extrovertiertes Kind eher das Bedürfnis hat sich auszupowern und ständig mit Freunden unterwegs zu sein.

Aber natürlich nimmt auch das Umfeld und Erlebnisse Einfluss. Vielleicht gibt es in der Familie oder in der Nachbarschaft eine:n Künstler:in? Lehrer:innen können ein starker Grund sein, weshalb man etwas total spannend oder sterbenslangweilig findet. Manchmal sind es aber auch kurze Impulse, die das Feuer in Gang bringen. Vielleicht seid ihr im Urlaub an Straßenkünstler:innen vorbeigelaufen oder im Fernsehen lief eine spannende Doku.

Weißt du noch, woher dein Interesse an kreativen Tätigkeiten kam? > Gib mir die Antwort am Ende.

Dran bleiben.

Wichtig ist, dass es jemanden gibt, der die Interessen des Kindes ernst nimmt, es sich ausprobieren lässt oder idealerweise sogar unterstützt und fördert.

Denn leider kommen die meisten Menschen im Laufe ihrer Kindheit oder Jugend in Situationen, die sie davon abbringen ein Interesse weiter zu verfolgen. Die Schule hat mir definitiv den Spaß an Naturwissenschaften genommen, was ich heute bedauere. Stattdessen bin ich jetzt Designerin, auch OK :D Mein Mann ärgert sich immer noch, dass er nicht gezwungen wurde, ein Instrument zu lernen. Und wegen seiner ätzenden Kunstlehrerin hat er aufgehört zu malen.

Wenn man aber immer dranbleibt, ist man irgendwann Mitte Zwanzig und hat (wie ich) über 20 Jahre praktische Erfahrung. Ich habe kein angeborenes Talent. Ich habe nur sehr früh angefangen.

Es ist nie zu spät, du bist nie zu alt.

Manchmal sagen Menschen zu mir, dass sie auch gerne mein Talent hätten. Dabei schauen sie mich traurig an und schieben hinterher: „Ich kann leider gar nicht zeichnen.“ Es macht mich unglücklich, dass andere glauben, ich hätte als Säugling schon so gezeichnet. Am liebsten würde ich ihnen dann eines meiner Kinderbilder unter die Nase halten und sagen: „Fang so an, dann kannst du irgendwann das, was ich über viele Jahre gelernt habe.“ Hier kannst du sieben Beiträge von 2016 finden in denen ich meinen Fortschritt nach vier bis sechs Jahren vergleiche. Auch meine Texte sind besser geworden, hoffe ich doch :D

Du kannst jederzeit anfangen und gut darin werden. Egal, ob du 22, 40 oder 95 Jahre alt bist. Es ist als Erwachsene:r nur deutlich schwieriger – oder besser: anstrengender. Das liegt daran:

Wir wissen zu viel.

Du siehst die Welt mit den analysierenden Augen eines erwachsenen Menschen. Du weißt seit vielen Jahren, dass ein Baum tausende kleine Äste und unzählige Blätter hat. Wie bitte sollst du das darstellen? Du achtest auf zu viele Details und kennst gleichzeitig die Tricks der Profis noch nicht.

Mein Tipp: Versuche nicht alles auf einmal zu wollen. Such dir ein Motiv aus und beschäftige dich damit. Wenn es das Bäumezeichnen ist, wirst du dafür viele verschiedene Ansätze im Internet finden. Du wirst nach und nach herausfinden, dass das alles keine Magie ist. Niemand, der Bescheid weiß, wird jedes Blatt einzeln zeichnen. Viele Profi-Tricks sind nämlich kaum komplexer als die kindliche Art und Weise einen Baum aus Kreis und Linie zu konstruieren.

Wieder ein Apfel, mit ähnlich viel Zeit entstanden, was beweist, dass Talent nicht das Mittel zum Skill ist.

Keine Zeit, dafür Stress.

Du hast nicht mehr so viel Zeit zum Üben wie als Kind. Das bedeutet, du brauchst länger, um sichtbare Fortschritte zu machen.

Mein Tipp: Versuche trotzdem deinem neuen Hobby Raum zu geben. Dich beschäftigen weit mehr Themen als die nächste Matheklausur und dass Tim gemein zu dir war. Ein eher mediatives Hobby wie Malen, kann dir helfen diesen Stress zu reduzieren. Und falls du Kinder hast: lass sie einfach mitmachen.

Kritik und Zweifel.

Du hast schon sehr viel gesehen. Vielleicht folgst du Künstler:innen auf Instagram und dir ist es ein Rätsel, wie du wie sie werden kannst. Schließlich sind sie dir soooo weit voraus.

Ich möchte dir sagen: Du kannst nicht wie sie werden. Denn du bist du und das macht jedes Werk einzigartig und unvergleichbar. Wenn du dich mit jemandem vergleichen möchtest, dann mit dir selbst. Sammle jede deiner Arbeiten in einer Mappe oder einem Karton – auch die, die du richtig schlecht findest. Am Anfang macht man die größten Fortschritte. Schon nach wenigen Bildern wirst du eine Verbesserung feststellen und nach Monaten oder Jahren über deine Anfänge schmunzeln.

Darf ich das?

Von erwachsenen Menschen erwartet man eine gewisse Konstanz und Festigkeit. Wenn du plötzlich mit 30, 40 oder 70 anfängst etwas Neues auszuprobieren, rollt dein Umfeld vielleicht mit den Augen: „Ach jetzt malt er auch noch.“ „In dem Alter will sie noch Künstlerin werden, oder was?“

Ein Hinweis: Lass dich davon nicht verunsichern. Wie so häufig ist Spott nur eine Kurzschlussreaktion. Vermutlich sitzen Erna und Otto danach zu Hause und fragen sich, warum sie nicht den Mut haben, etwas Neues anzufangen.

Bessere Komplimente machen.

Ach und wenn du mal wieder einem Künstler oder einer Künstlerin ein Kompliment machen möchtest, geh doch direkt auf die Details ein. Sage, was dir konkret an einem Bild gefällt. Sind es die Farben? Ist es die Komposition? Das ungewöhnliche Format? Magst du das Motiv? Vielleicht hat die Arbeit ein Gefühl in dir ausgelöst, weil es dich an ein schönes Erlebnis erinnert?

Dein gegenüber freut sich doppelt so sehr, wenn er oder sie merkt, dass du dir Zeit für die Arbeiten und für das Kompliment genommen hast.

Und wenn mal wieder jemand auf dich zukommt und dein angeborenes Talent lobt, bedank dich höflich und frage dann, was genau der Person an deinen Werken gefällt. Sicherlich kommt ihr ins Gespräch. Du wirst lauter schöne Dinge hören und kannst vielleicht sogar ein paar Sätze zum aufwändigen Arbeitsprozess fallenlassen ;)


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Umfragen und Infos über neue Beiträge, gibt es immer auf Instagram @vonsarago in meinen Storys.

Weißt du noch, woher dein Interesse an kreativen Tätigkeiten kam?

Schreibe mir die ganze Geschichte gerne in die Kommentare,

 

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